Die Chancen der Krise

Diese Tage fühle ich mich als hätte ich den grössten Liebeskummer meines Lebens. Alles schmerzt. Es schmerzt meine Lieben auf unbestimmte Zeit nicht sehen zu können, sie nicht drücken zu können, sie spüren zu können. Es schmerzt jedem Menschen ausweichen zu müssen beim Einkaufen, beim Spazierengehen. Es schmerzt nicht mehr den üblichen Kinderlärm zu hören, der mich an Sommerwochenenden regelmässig zu früh weckt. Es schmerzt in jeder Zelle meines Körpers. Das alles scheint wie schrecklicher Albtraum, ein gründlich missglückter geschmackloser Aprilscherz. Doch es ist kein Scherz, es gibt kein erlösendes Aufwachen – noch nicht.

 

Wie wird die Welt wohl aussehen, wenn wir das Gröbste geschafft haben? Wie lange wird es dauern bis wir uns wieder angstfrei begegnen können, ohne das Gefühl eine Gefahr für den Anderen zu sein? Was werden die Auswirkungen sein auf unser Leben? Wir wissen es nicht, aber diese Krise wird uns geprägt haben, uns verändert haben.

 

Gleichzeitig birgt diese Krise enorme Chancen für uns alle. Ich hatte noch nie so viele ehrliche Gespräche wie in den letzten Tagen. Es scheint die Masken sind gefallen, die Mauern bröckeln und wir begegnen uns in unserer Verletzlichkeit, werden uns ihrer bewusst. Und das schafft eine neue Verbindung, tiefer ehrlicher ungeschönter. Wir können lernen, dass wir einander alle brauchen und es auf jeden Einzelnen von uns ankommt. Jeder Mensch zählt.

 

Es ist ruhiger geworden, entschleunigter, stiller und die physische Distanz, die wir jetzt einnehmen müssen, macht uns auch achtsamer, wir bemerken einander wieder, rasen nicht mehr achtlos aneinander vorbei. Das kann uns lehren wie wichtig es ist uns gegenseitig nicht wie Objekte zu behandeln, sondern uns wahrzunehmen, achtsam und mit Würde.

 

Wir können eine tiefere Form von Dankbarkeit entwickeln. Dankbarkeit in einem Land zu leben, wo sich trotz Krise und Hamsterkäufen die Regale wieder füllen, die Post funktioniert und wir mit allem Materiellem versorgt sind. Dankbarkeit auch für die kleinen Dinge des Lebens und all die Dinge auf die wir zurzeit verzichten müssen.

 

Und das Internet zeigt sich von seiner besten lichtesten Seite. Dank dieser Vernetzung ist eine Welle von Solidarität nicht nur durch unseren Kanton, unser Land nein auch durch andere Länder geschwappt. Wir können trotz Isolation und Abstand in Kontakt bleiben, uns austauschen und in Verbindung bleiben.

 

Die Natur, die sich an so vielen Orten erholt und neu erblüht schenkt uns Hoffnung, zeigt, dass es sich lohnt für sie zu kämpfen, sich einzusetzen und neue Wege zu gehen.

 

Es ist die Chance in tieferen Kontakt mit uns selbst zu kommen, zu verstehen welche Werte wirklich zählen. Achtsamkeit, Würde, Dankbarkeit, Mitgefühl, Liebe, Verständnis. Wir müssen zwar physisch auf Distanz gehen, doch wir können uns entscheiden unsere Herzen zu öffnen, bedingungslos. Es wird eine andere Welt sein, doch ich will glauben, dass es eine bessere Welt sein wird. Und dann wird es ruhig in mir trotz all des Schmerzes.

 

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